Die Brüder Daniel und Markus Freitag kreieren im ehemaligen Zürcher Industriegebiet aus den Nebenprodukten des Schwerverkehrs eine leichtgewichtige Allwettertasche. Mit einem Recyclingprodukt schaffen sie eine Design-Ikone und erobern damit die Welt.
Aufgewachsen auf einem umgebauten Bauernhof in Stadtnähe, verbringen Daniel und Markus Freitag glückliche Kindertage. Sie basteln Seifenkisten und bauen Hütten im Wald. Die beiden Brüder langweilen sich so gut wie nie und schaffen sich ihre eigene Welt, in der Probieren über Studieren geht. Daniel und Markus sind auch typische Kinder der Siebzigerjahre: Wer in dieser Dekade aufwächst, wird zwangsläufig mit Umweltthemen imprägniert. Die Ölkrise, in deren Folge an autofreien Sonntagen auf Schweizer Strassen Rollschuh gelaufen wird, schlägt sich in dieser Prägung ebenso nieder wie die Mobilmachung gegen Atomkraft. Dann kamen die 1980er mit dem sauren Regen und dem Waldsterben. Und so ist die Erfindung der Freitag-Tasche wahrscheinlich eine logische Folge des Geistes dieser Zeit.
Zu Beginn der Neunzigerjahre sind die Gebrüder Freitag Teil einer Wohngemeinschaft an der stark befahrenen Hohlstrasse, direkt an der Zürcher Hardbrücke. Unzählige Lastwagen donnern tagtäglich an ihrem Küchenfenster vorbei. Die Brüder betätigen sich mittlerweile als Grafiker. Beide sind sie angefressene Velofahrer, und beide wollen ihre Grafik-Entwürfe auch bei Regen trocken ins Ziel bringen.
Inspiriert von den Taschen der Fahrradkuriere aus den USA, konfrontiert mit dem alltäglichen Schwerverkehr vor dem Küchenfenster und geprägt von Erfindergeist und Umweltbewusstsein aus Kindertagen, schneidern sich die Freitags 1993 eine erste Tasche aus einer gebrauchten Lastwagenplane. Die Kanten sind mit Veloschläuchen verstärkt, als Tragriemen dient ein Sicherheitsgurt vom Autofriedhof.
Bereits dieses erste Modell lässt sich dank ausgefeilter Falztechnik im Volumen verdoppeln, was auch den Transport grösserer Entwürfe zulässt. Im Freundes- und Bekanntenkreis der Freitags sorgt der Prototyp für grosses Aufsehen – jeder möchte so ein Teil haben, worauf die beiden im selben Jahr vierzig Stück der Kuriertasche nähen.
Einzig der Geruch, den die Tasche aus den gebrauchten Lastwagenplanen verströmt, lässt empfindliche Zeitgenossen die Nase rümpfen, was darin gipfelt, dass die Brüder empfehlen, Lebensmittel nicht unverpackt in ihrer Tasche zu verstauen.
Mit Portraits von
Boris Blank, Denise Biellmann, Max Bircher, Gottlieb Duttweiler, Richard Ernst, Tom Gabriel Fischer, Daniel und Markus Freitag, H.R. Giger, Globi, Franz Hohler, Daniel Keel, Werner Keiser, Julius Maggi, Dieter Meier, Harald Naegeli, Wim Ouboter, Roger Schawinski, Toni Vescoli, Andreas Vollenweider u.v.m.
Buch bestellenDem Duft zum Trotz findet die Tasche schnell ihre Freunde: Im Jahr 1998, fünf Jahre nach der Gründung der Firma, gehen 6000 Exemplare über den Ladentisch. Heute (2013) werden 440 Tonnen Lastwagenplanen in 400 000 Taschen verwandelt. 170 Personen arbeiten für die Tasche, 130 davon in der Produktionsstätte, die sich mittlerweile im Norden Zürichs befindet.
Weltweit bringen 470 Wiederverkäufer die Freitag an Frau und Mann. Die Firma selbst betreibt eigene Läden in Zürich, Davos, Lausanne, Berlin, Hamburg, Köln, Wien und Tokio. In Zürich und der japanischen Metropole sind es sogar je zwei.
Grosses Aufsehen erregt Freitag in der Designwelt. Davon zeugen Auszeichnungen wie der Eidgenössische Designpreis (1997), der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland (2009), der Designpreis Schweiz MERIT (2011) und die Aufnahme der Tasche in die ständige Sammlung für zeitgenössisches Design des Museum of Modern Art MoMA in New York (2003). Und zu seinem 19. Geburtstag (2012) widmete das Museum für Gestaltung in Zürich den Taschen und dem Phänomen eine eigene Ausstellung.
Daniel Freitag: «Ich erkläre mir den Erfolg unserer Tasche damit, dass sie zwar ein Recycling-Produkt ist, aber trotzdem frei von diesem ökomässigen Kupfer-Wolle-Bast-Image, das sonst Gebrauchsgütern aus wiederverwerteten Materialien anhaftete. Zum anderen ist jede Tasche ein Einzelstück. Denn in unseren Ateliers wird jede Lastwagenplane aufgrund der Gestaltung ihrer grafischen Oberfläche zugeschnitten. Das haben wir schon so gemacht, als wir die Planen noch in der Badewanne geschrubbt und die Taschen am Küchentisch unserer WG zusammengenäht haben. Wir wollten, dass das Ding aus wiederverwertetem Material besteht, einzigartig ist und dabei gut aussieht.»
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