Von Barbara Vonarburg

Die Lebensbedingungen für Kinder von Geburt an zu verbessern war Marie Meierhofers Ziel. Als Kinderärztin erkannte sie, dass psychische Störungen ihre Ursache oft im Säuglingsalter haben.

Marie Meierhofer arbeitete im Herbst 1941 als Ärztin im Zürcher Kinderspital, als eine Krankenschwester aus dem Waisenhaus Einsiedeln einen kleinen Buben auf die Säuglingsstation brachte. «Sein mageres Körperchen war mit Eiterpusteln übersät», erinnerte sich Meierhofer später, «sein Schädel und sein Brustkorb waren deformiert, seine Beinchen angezogen und steif … Offenbar soll der Bub in einer Kiste gelegen sein, die für ihn zu klein geworden war.» Im Kinderspital lernte der anderthalbjährige Edgar sitzen und stehen und entwickelte sich unter der Obhut von Meierhofer zu einem fröhlichen Kind.

Als sich nach einem halben Jahr kein Pflegeplatz für Edgar finden liess, beschloss die 33jährige Kinderärztin und Psychiaterin, den Jungen bei sich aufzunehmen, wie die Autoren Marco Hüttenmoser und Sabine Klein in ihrer Biographie über Marie Meierhofer schreiben.

Bereits als Teenager habe Meierhofer in einem Aufsatz mit dem Titel Mein Leben ­geschrieben: «Ich dachte immer daran, armen Kindern zu helfen … Ich stellte mir vor, ich hörte draussen Kindlein schreien, ich nähme sie zu uns, täte sie waschen und kleiden und ihnen zu essen geben. Ich dachte, ein Haus zu bauen mit meiner Freundin auf einer Wiese bei uns und arme Kinder aufzunehmen.»
Edgar, den Meierhofer liebevoll auch «Chläusli» nannte, war das beste Beispiel dafür, dass Zuwendung, Verständnis sowie altersgerechte Förderung durch Spiel und Kontakt mit anderen Kindern die Entwicklung eines Kleinkindes entscheidend fördern. Doch was heute als selbstverständlich gilt, fand damals kaum Gehör. «Die Pädiatrie (Anm.: Kinderheilkunde) stand unter der Fuchtel der Infektionskrankheiten, gegen welche es kaum Impfungen und noch keine Antibiotika gab», schrieb sie. «So kam es, dass die Babys möglichst von den Menschen ferngehalten, in ihrem Bett allein gelassen wurden. Dadurch entbehrten die Kinder Augen-, Hör-, Haut- und andere Kontakte und erlebten nicht Farben, Bewegung, Körperwärme, Gerüche, Geräusche, Musik, Befriedigung und Geborgenheit.»

Mit Portraits von

Boris Blank, Denise Biellmann, Max Bircher, Gottlieb Duttweiler, Richard Ernst, Tom Gabriel Fischer, Daniel und Markus Freitag, H.R. Giger, Globi, Franz Hohler, Daniel Keel, Werner Keiser, Julius Maggi, Dieter Meier, Harald Naegeli, Wim Ouboter, Roger Schawinski, Toni Vescoli, Andreas Vollenweider u.v.m.
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Meierhofer bringt auf ihrer Spitalabteilung Kinder verschiedenen Alters zusammen und sorgt dafür, dass sie sich gemeinsam ­beschäftigen können. Sie setzt sich als Rotkreuzärztin in Frankreich für traumatisierte Kriegskinder ein und ist wesentlich an der Gründung des Kinderdorfes Pestalozzi für Kriegswaisen in Trogen beteiligt. Obwohl es dort immer wieder Streit um das Konzept gibt, engagiert sich Marie Meierhofer intensiv. In einem ersten Bericht über ihre Beobachtungen hält sie fest, dass es mehrere Jahre brauche, bis bei den Kindern die körper­lichen Schäden ausgeglichen und die seelischen Traumen verarbeitet seien: «Dabei sind der länger andauernde Mangel an Liebe, Pflege und Schulung, an Sicherheit und festen Lebenskreisen schwerwiegender als die wenn auch im Moment schweren seelischen Erschütterungen durch Kriegserlebnisse.»

Als sie 1948 als Zürcher Stadtärztin gewählt wird, startet sie in einem Kinderheim erstmals ein Experiment, bei dem sich immer dieselbe Betreuerin um eine Gruppe von drei bis vier Kindern aus verschiedenen Alterstufen kümmert. Meierhofer beobachtet und testet diese Familiengruppen – ein erfolgreiches Experiment. Sie fordert in einem Bericht aber auch eine bessere Unterstützung berufstätiger Mütter: «Es wäre wünschenswert, in Siedlungen neben dem Kindergarten auch Krippen resp. Tageshorte für Kinder jeden Alters einzurichten.»

In der Schweiz haben solche Vorstösse geringe Chancen. Kein Wunder, nimmt Meierhofer die Einladung zu einem Studienaufenthalt in den USA begeistert an und kündigt ihre Stelle in Zürich. In Amerika kann sie unter anderem die ersten Rooming-In-Experimente beobachten, bei denen die Neugeborenen im Zimmer der Mutter und nicht mehr in Säuglingsabteilungen untergebracht werden. Als sie in die Schweiz zurückkehrt, möchte Meierhofer nach amerikanischem Vorbild ein Institut für Forschung, Aufklärung und Beratung gründen, in dem Ärzte, Erzieher und Eltern sich gemeinsam für die gesunde Entwicklung des Kindes einsetzen. Doch sie blitzt beim Zürcher Kinderspital und den Stadtbehörden ab.

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